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Taylor Swift Anorexie Cover

Taylor Swift: Vorbild im Umgang mit Anorexie?

Kein Anti-Hero

Taylor Swift fing vor einigen Jahren an, öffentlich über ihre jahrelang anhaltende Anorexie zu sprechen. Eine neue Studie zeigt, dass sie damit ein besonderes Vorbild für ihre Fans ist.

Inhalt

Vorbild laut Studie

Sie ist die weltweit meistgestreamte Künstlerin auf Spotify, löste mit ihren Konzerten Erdbeben aus und hält über 100 Guinness-Weltrekorde für ihre musikalischen Erfolge. Die Rede ist von Taylor Swift. Zuletzt machte Swift aber nicht nur mit ihrer Musik, oder der ausverkauften Eras-Tour mit den dreieinhalbstündigen Shows Schlagzeilen, sondern durch eine Studie, die in dem Journal „Social Science & Medicine“ veröffentlicht wurde, der zufolge sie eine besondere Vorbildfunktion im Umgang mit ihrer Essstörung eingeräumt wird.

Für die Studie der US-amerikanischen University of Vermont haben zwei Wissenschaftlerinnen eine thematische Analyse durchgeführt und 200 Tiktok- und Reddit-Posts und gut 8300 dazugehörige Online-Kommentare von Taylor Swift Fans untersucht. Ihr Ergebnis zeigte, dass Swift in ihrem offenen Umgang mit ihrer Anorexie, umgangssprachlich Magersucht, als Vorbild für ihre Fans gilt. Auch wenn die Studie ausschließlich die qualitative und zum Teil subjektive Einordnung der Wissenschaftlerinnen widerspiegelt und relativ wenige Posts betrachtet, ist das Grund genug uns einmal eingehender mit Taylor Swifts Sprechen über Anorexie zu beschäftigen.

Öffentliches Sprechen

Zum ersten Mal sprach die Musikerin 2020 in dem Dokumentarfilm “Miss Americana” öffentlich darüber, dass sie als junge Frau an Anorexie erkrankt sei. Mit 14 Jahren unterschrieb Swift ihren ersten Plattenvertrag; 2006, da war Swift 16, erschien ihr Debütalbum, mit 18, als ihr zweites Album “Fearless” erschien, nahm ihre Karriere an Fahrt auf. In diesem Alter war Swift auch zum ersten Mal auf einem Cover zu sehen, genauer bei der US-amerikanischen Boulevard-Zeitschrift “OK”. Zu sehen ist die junge Musikerin, wie sie in einem schwarzen Kleid über die Straße geht. Die Unterschrift: “Taylor Shock! Pregnant!”. Weil ihr Bauch in dem hautengen Kleid nicht komplett flach ist, wie es das Schönheitsideal der 2000er-Jahre, angetrieben durch Stars wie Britney Spears oder Christina Aguilera war, wurde ihr eine Schwangerschaft angedichtet. Das Cover, diese Unterschrift, das habe sie als Strafe wahrgenommen, erzählt Swift in der Dokumentation “Miss Americana”. Das Streben nach einem möglichst dünnen Körper sei für sie allgegenwärtig gewesen. Für ihr Schlank-sein habe sie Komplimente bekommen. So berichtete sie von einem Fotoshooting: “Jemand, der bei einer Zeitschrift arbeitete, sagte: ,Oh, wow, das ist so toll, dass Sie in die Mustergrößen passen. Normalerweise müssen wir die Kleider ändern, aber wir können sie direkt vom Laufsteg nehmen und sie Ihnen anziehen!´”. Worte wie diese hätten sie darin bestätigt, dass es gut sei, besonders dünn zu sein, auch wenn sie dafür hungerte. Das Schönheitsideal der 2000er ließ kaum ein Bewusstsein für natürliche, sich unterscheidende Körperformen zu; medial wurden kaum unterschiedliche Körpertypen gezeigt.

Schwangerschaften unterstellt zu bekommen, ständig in den Medien mit Bildern von ihr selbst konfrontiert zu sein, über die sie keine Kontrolle hatte, hätten sie getriggert und dazu geführt, mit dem Essen aufzuhören, berichtet Swift. Sie entwickelte eine Anorexie.

Was bedeutet Anorexie?

Die Erkrankung zeigt sich laut ICD-11, der “internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme” durch einen selbst herbeigeführten, anhaltenden Gewichtsverlust, der oft bis zur Unterernährung geht. Anorexie ist die psychische Erkrankung mit der höchsten Sterberate. Besonders häufig tritt die Erkrankung bei heranwachsenden und jungen Frauen auf. Bei Taylor Swift, so berichtete sie es, ging die Erkrankung mit übermäßigem Sport und großer körperlicher Betätigung einher. Zur Behandlung von Anorexie wird Psychotherapie ausdrücklich empfohlen, wobei auch die körperliche Verfassung der Patient:innen medizinisch beobachtet werden sollte. Häufig werden kognitive Verhaltenstherapie oder, vor allem bei Patient:innen, die schon lange unter Anorexie leiden, analytische Psychotherapie empfohlen.

Die Auswirkungen von Taylor Swifts Erkrankung seien ihr besonders im Jahr 2014 aufgefallen, erzählt sie in dem Dokumentationsfilm. Zu dieser Zeit sei sie auf Tour zu ihrem Album “1989” gewesen. „Ich dachte, man muss am Ende einer Show das Gefühl haben, ohnmächtig zu werden”, sagt Swift. Mittlerweile habe sie gelernt, dass es ihr mit mehr Essen besser gehe und so nicht nur ihre Shows durchhält und eine andere Kleidergröße hat, sondern insgesamt gesünder lebt, erzählt sie in dem Dokumentationsfilm. Über eine Therapie spricht Swift nicht. Gegenüber dem Rolling Stone erzählte sie 2019 hingegen, sich vor allem vertrauten Menschen anvertraut zu haben.

Die Songtexte

Viele Swifties, wie sich die Fans der Sängerin nennen, feiern sie besonders für ihre Texte. Auch über ihr Verhältnis zu Essen und ihrem Körper singt Swift. So heißt es in dem Lied “You’re on Your Own, Kid” von dem Album “Midnights” aus dem Jahr 2022 “I hosted parties and starved my body” und “I search the party of better bodies”.

Aber auch Kritik für ihren Umgang mit dem Thema Körpergefühl erntete Swift. In dem Musikvideo zu dem Song “Anti Hero”, in dem Swift ihre Unsicherheiten thematisiert und der ebenfalls auf dem “Midnights”-Album erschien, ist Swift in einer Szene dabei zu sehen, wie sie auf eine Waage steigt, auf deren Anzeige das Wort “fat” zu sehen ist. Was die einen als Ausdruck ihrer Zweifel verstanden, nahmen andere als triggernd wahr. Das Video wurde schließlich umgeschnitten und die umstrittene Szene entfernt.

Gegenüber dem US-Magazin “Variety” erzählte Swift kurz vor Erscheinen des Films “Miss Americana” 2020, sie habe sei lange unsicher gewesen, ob sie öffentlich über ihre Erkrankung sprechen solle. “Ich wusste nicht, ob ich mich wohlfühlen würde, wenn ich über meine Körperwahrnehmung und die Dinge, die ich durchgemacht habe, spreche und wie ungesund das für mich war – meine Beziehung zum Essen und das über Jahre hinweg“, so Swift. Heute danken ihre Fans ihr die Entscheidung, öffentlich über Anorexie zu sprechen, besonders.

Dieser Beitrag wurde von einer ärztlichen Psychotherapeutin redigiert. 

Maja

Maja

“Psychische Erkrankungen begegnen uns häufiger als wir denken. Wir müssen hinsehen und darüber reden.”