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Suizid-Prävention 

Was bedeuten Semikolon-Tattoos?

Auf Social Media posten viele Menschen Fotos von Semikolon-Tattoos. Dabei ist das nicht nur Zierde, sondern ein Zeichen für Suizidprävention - und Hoffnung. Die Geschichte der Bewegung.

Inhalt

Monat der Suizidprävention

Ob der Soundtrack für den September mit “Wake me up when September ends” von Greenday, oder der fröhlicheren Variante, den Monat zu besingen mit Zeilen wie “dancin‘ in September” von Earth, Wind and Fire bestimmt ist – der Monat ist vergangen. Wofür er aber steht, ist auch den Rest des Jahres von großer Bedeutung. Wie in jedem Jahr seit 1949 wurde im September der offizielle “Mental Health Awareness Month” begangen. Der 10. September ist dabei der Tag für Suizidprävention. Es ist sowohl ein Gedenktag für Menschen, die durch Suizid gestorben sind, als auch eine Gelegenheit für Hilfsorganisationen und Medien, auf das Thema aufmerksam zu machen, aufzuklären und auf unterstützende Programme zu verweisen.

Zum Oktober, der mit dem europäischen Tag der Depression begonnen hat, blicken wir einmal mehr auf das Thema Suizidprävention. Im Fokus: Das Semikolon. Denn der Titel dieses Blogs referiert nicht nur auf ein Schriftzeichen, sondern hat eine besondere Bedeutung innerhalb der Mental-Health-Community.

Sprachlich verbindet das Interpunktionszeichen Semikolon gleichrangige Sätze miteinander, es ist stärker als ein Komma, aber schwächer als ein Punkt. Diese Verbindung macht sich die Semikolon-Verbindung zu eigen und interpretiert sie neu.

Project Semicolon

Die 2013 von Amy Bleuel in den USA gegründete Non-Profit-Organisation “Project Semicolon” erklärt das so: „a semicolon is used when an author could’ve chosen to end their sentence, but chose not to. The author is you and the sentence is your life“. („Ein Semikolon wird verwendet, wenn ein Autor seinen Satz hätte beenden können, sich aber dagegen entschieden hat. Der Autor sind Sie und der Satz ist Ihr Leben.“)

Das Semikolon macht nicht nur auf Suizid aufmerksam, sondern unterstreicht auch die Selbstwirksamkeit jede:r Einzelnen.

Amy Bleuel, die Gründerin des “Semikolon Project”, die durch den Suizid ihres Vaters mit dem Thema in Berührung kam, ließ sich das Semikolon auf ihr Handgelenk tätowieren. Damit wurde sie zur Vorreiterin. „Die Bewegung ist für alle, die sich jemals selbst verletzt haben, die an einer psychischen Erkrankung leiden oder schon einmal versucht haben, sich umzubringen”, lautet ein Aufruf des “Project Semicolon”. Es ist gleichzeitig aber auch ein Zeichen der Hoffnung und eine Erinnerung daran, dass das Leben trotz schwerer psychischer Erkrankung lebenswert sein kann, sich Therapien und Behandlungen lohnen können.

Semikolon-Tattoos

Das “Project Semicolon” setzt es sich zum Ziel, Aufmerksamkeit auf psychische Erkrankungen zu lenken. Insbesondere durch die Semikolon-Tattoos ist das gelungen. Bekannt wurde die Semikolon-Bewegung vor allem 2015, als immer mehr Menschen begannen, ihre Semikolon-Tattoos auf Social Media zu teilen. Sie sollten zeigen, dass Suizidalität eine Rolle im Leben der Betroffenen gespielt hat, sie sich aber entschieden haben, weiterzumachen. 2017 erschien das Buch Project Semicolon: Your Story Isn’t Over, in dem Fotos und Geschichten der Online-Community des Projekts gesammelt sind.

Im selben Jahr wurde das Semikolon durch die umstrittene Netflix-Serie “13 Reasons Why”, die den Suizid einer jungen Frau behandelt, auch für eine breitere Masse populär.

In der ersten Folge der zweiten Staffel der Serie will sich die Hauptfigur Clay ein Semikolon als Hommage an die verstorbene Hanna ein Semikolon auf das Handgelenk tätowieren lassen.

Auch wenn in der Serie nicht explizit erklärt wird, wofür das Semikolon steht, wird es durch den Dialog zwischen Clay und seinem Tätowierer unterschwellig deutlich:

Tätowierer: „Steht das Semikolon für eine Freundin von dir?“

Clay: „Ja.“

Tätowierer: „Tut mir Leid.“

Clay: „Danke.“

Auch privat tragen einige Mitglieder des Casts, darunter Tommy Dorfman, Alisha Boe und die Co-Produzentin Selena Gomes das Zeichen auf ihrer Haut. Unter Hashtags wie “projectsemicolon” oder “semicolontattoo” finden sich auf Instagram zehntausende Beiträge.

Persönliche Geschichten

Auch dem “Semikolon Blog” sind schon viele Fotos von Semikolon-Tattoos zugesendet worden.

Betroffene, die wir hier anonym lassen, haben uns darüber zum Beispiel geschrieben, “Ich habe mir das Tattoo nach einem Klinikaufenthalt stechen lassen”, “Ich bin so dankbar für mein Semikolon”, oder “Es hat mir über eine lange und schwere Krise geholfen”. Eine andere schrieb, sie habe es sich gemeinsam mit einer Freundin stechen lassen, sie trage das Semikolon als Zeichen der Solidarität.

Lisa, die mit uns auf dem Blog bereits über ihren Umgang mit Sexualität nach sexualisierter Gewalt gesprochen hat, schreibt über ihr Semikolon-Tattoo auf Instagram:

“Ich habe damit für mich ganz klar einen Punkt hinter die Vergangenheit und die Missbrauchserfahrungen gemacht. Während des Tätowierens hatte ich nur einen Satz im Kopf: „Es ist vorbei! Es ist wirklich vorbei. Und dennoch (oder gerade deswegen) darf es jetzt sichtbar werden. Ich will nicht einfach vergessen, sondern integrieren.”

Mittlerweile ist das Semikolon zu einem eigenen Code geworden. Viele Menschen verstehen, dass das Semikolon ein Zeichen für Suizid, vor allem aber Hoffnung ist. Dennoch ist es nicht für alle offensichtlich. Unterschwellig macht es das Thema immer sichtbarer und schafft Verbundenheit unter Betroffenen. Aus dem Grund heißt auch dieser Blog so.

Telefonseelsorge Deutschland, kostenfrei, anonym und rund um die Uhr erreichbar: 0800 / 111 0 111

Oder hier per Mail und Chat.

Eine Liste der bundesweiten Hilfsstellen findet du hier:

Suizidprophylaxe.

Deutsche Depressionshilfe.

Sozialpsychiatrischer Dienst.

In jedem Krankenhaus ist es möglich, sich zu Tag und Nacht in der Notaufnahme zu melden. Auch Rettungsdienste (112) und Polizei (110) können im Notfall angerufen werden.

Auch wenn du dir Sorgen um einen Menschen machst, kannst du dich an die Hilfsangebote wenden.

Dieser Beitrag wurde von einer ärztlichen Psychotherapeutin redigiert. 

Maja

Maja

“Psychische Erkrankungen begegnen uns häufiger als wir denken. Wir müssen hinsehen und darüber reden.”